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S.
[Briefkopf Wien] 17. 2. 10
Lieber Herr Doktor
Seit drei Tagen regnet es bei mir Werke von Dostojewski; täglich kommt ein Paket; 14 Bände und ein kleiner Ergänzungsband sind schon beisammen, und ich bin noch nicht sicher, ob ich die offenbar fehlenden sechs in der nächsten Zeit oder im Verlaufe der Publikationstermine erwarten soll.1 Unmöglich, sie jetzt zu lesen, aber ich fühle die Verpflichtung für später, mich zum Kenner dieses russischen Genies auszubilden, und werde ihr bei günstiger Gelegenheit nachkommen.2 Ihnen sage ich herzlichen Dank für das übergroße Geschenk, das mich an interessante, eigentlich meiner Gesundheit dienende Spaziergänge erinnert.3 Gerne würde ich auch die Fortsetzung erfahren von dem, was wir damals zu brauen begonnen haben, und stelle darin den Dostojewski als Übertragung ein.
Ich bin in einer heißen Arbeitszeit (was Ihre Mitteilung nicht abweisen soll!) und habe zu nichts Ernsthaftem Zeit, nicht einmal zum Kranksein. Vom ‚Leonardo‘ stehen wirklich schon 15 Seiten; ich schreibe jetzt doch jeden Abend einige Zeilen und jeden Sonntag einige Blätter.
Es trifft sich so, daß ich gleichzeitig mit dem Dank Sie auch um etwas bitten kann. Dr. Medem, der das ‚Alltagsleben‘ ins Russische übersetzt, hat mir kein Exemplar davon geschickt, und ich würde mich doch interessieren, eines zu besitzen.4 Wenn Sie seine Adresse haben, so seien Sie so gut, ihn daran zu mahnen. Später, wenn der ‚Leonardo‘ fertig ist, werde ich Sie noch um die Adresse von D. Mereschkowski5 bitten.
Leben Sie wohl, und lassen Sie sich nicht von Oppenheim bezaubern. Auf Wiedersehena in Nürnberg,6 vorher aber erwarte ich Ihre Nachrichten.
Mit herzlichem Gruß
Ihr Freud
a MS: Widersehen.
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S.
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