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S.
[Briefkopf Wien] 17. 2. 21
Lieber Max
Den Glückwunsch zur bevorstehenden und zur bereits erreichten Vergrößerung Ihrer Familie muß ich Ihnen doch nach Paris nachschicken. Ich nehme an, daß es Ihrer kl[einen]a Schwester sehr gut gegangen ist. Sehr schön, daß Meran Mirra und Ihnen soviel Kräftigung gebracht hat. Ich vermute, daß Sie es beide notwendig hatten.
Für Ihre sorgfältige Benachrichtigung in der Sache L[iebermann] schönen Dank. Natürlich ist es schwer, so etwas aus der Ferne zu beurteilen. Ich würdige und billige Ihre Motive und meine, es hätte nicht zum Konflikt und zur Erledigung durch Überstimmung kommen müssenb, wenn A[braham] sich seiner Starrheit begeben hätte. Auf der anderen Seite steht es fest, daß No. 1 der ‚Zeitschrift‘ um mehrere Wochen aufgehalten wurde, weil die Berliner Sitzungsberichte, später ihre zweite Hälfte, nicht zu bekommen waren.
Die Bekräftigung der $ 5000 hat unseren Mut sehr gehoben. Der Verlag entwickelt sich prächtig, ich spare auch nicht daran. An Stelle von Bernfeld, dessen Gesundheitszustand ihn unverwendbar macht – er stellte z. B. die Bedingung, daß ihm alle Arbeit in seine Wohnung in Hietzing1 gebracht werde [–], hat Rank Dr. Storfer2 engagiert, von dem er viel erwartet, außerdem eine Sekretärin und mehrere Diener.
Kola hat sich nicht wieder gemeldet. Seitdem wir wissen, daß er die offiziellen medizinischen Zeitschriften übernimmt,3 ist uns unsere Unabhängigkeit doppelt wertvoll geworden.
Die Bemerkung über die Mark in bezug auf den Fond, wo Sie sich das erste Mal geirrt hatten, ist noch immer nicht verständlich. Etwas steckt dahinter, aber bemühen Sie sich nicht um die Aufklärung.
Ich habe meine Muße recht genossen. Aber am Sonntag die ‚Massenpsychologie‘ begonnen, jetzt stehen schon acht Seiten von ihr. Anna arbeitet fleißig an der Übersetzung von Jones’ Lehrbuch der Behandlung der Neurosen.
In England und Amerika gibt es jetzt einen großen psychoanalytischen Rummel, der mir aber nicht lieb ist und mir nichts bringt als Zeitungsausschnitte und Besuchec von Interviewern. Indes, es ist doch amüsant.
Oli soll Ende des Monats nach Wien kommen.
Grüßen Sie mir von Paris nur die Teufel von Notre Dame und das Louvre. Sonst ist die Stadt für mich tot.
Herzliche Wünsche für Aufenthalt und Weiterreise Ihnen beiden
Ihr Freud
a Nachträglich eingefügt.
b Dem Schriftbild nach: wissen.
c Korrigiert aus: Besucher.
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S.
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Wien 1090
Austria
C22F9