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S.
[Briefkopf Wien] 6. XII. 1931
Lieber Max
Nein, ich war mit Ihrem Bescheid an Storfer ganz einverstanden, soweit man es nur in dem Widerstreit der Chancen sein kann. Denn es steht hier manches gegen anderes. Einerseits ist die Möglichkeit nicht zu verachten, die quälenden Sorgen um den Verlag loszuwerden und ein Stück Geld herauszubekommen, mit dem man etwas anfangen kann; anderseits verliert man an Storfer, obwohl er unverträglich, ein Verrückter und ein Verschwender ist, eine Kraft, die unserer Sache wertvolle Dienste geleistet hat und noch leisten kann, und wenn er den Verlag übernimmt, darf man Sorge haben, daß er ihn, wenngleich zu eigenem Schaden, bald ruiniert haben wird, so daß wir dann keinen Verlag mehr haben. Dahinter steht noch das Interesse, für Martin, der jetzt ebenso erwerblos ist wie seine Brüder, eine Beschäftigung zu gewinnen, die ihn interessiert und die er wahrscheinlich bald gut durchführen wird.
Allen diesen Abwägungen wird freilich der Boden entzogen sein, wenn er seine Absicht, den Verlag zu erwerben, als undurchführbar aufgibt. Das halte ich für überaus wahrscheinlich. Dann wird unser Vorteil sein, daß er, ernüchtert und bescheidener geworden, es uns leichter machen wird, uns im Frieden von ihm zu trennen. Aber ich sehe ein, wir durften ihm die Zustimmung zu seinem Versuch nicht verweigern.
Als unmittelbaren Gewinn dieser Verhandlungen betrachte ich die zwei Schachteln Berchtesgadener, die Storfer von Ihnen geholt hat. Was Martin durch Lampls Vermittlung bekam, war leider für mich ganz unbrauchbar, so daß ich eine Weile auf das elende Zeug angewiesen war, für das die österreichische Tabakregie sich Geld zahlen läßt. Der ‚Dank‘ von der Lou und meine beiden Aufsätze in der ‚Zeitschrift‘ sind eben erschienen; im Augenblick korrigiere ich an einem kleinen Aufsatz über die Gewinnung des Feuers, der in der ‚Imago‘ Platz finden wird.1 Neugierig, was Sie zu dem Versuch sagen werden, Traumdeutungsmethoden auf den Mythus auszudehnen.
Von internen Beschwerden bin ich jetzt einmal frei, und die der Prothese sind auf das gewöhnliche Maß eingeschränkt. Die merkwürdigea Veränderung des Lebensgefühls, die unabhängig von Wohlsein und Kranksein nebenher geht, kann man nur andächtig zur Kenntnis nehmen.
Ich grüße Sie und Mirra herzlich
Ihr Freud
P.S. Anbei die Zuschrift einer Gruppe in Liège, der ich geraten, Ihnen zu schreiben.
a In der Mitte des Wortes gestrichen: ver.
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S.
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