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S.
[Briefkopf Wien] 9. 1. 1929
Lieber Max
Ich nehme Ihr Versprechen zur Kenntnis, daß Sie sich auf jenem Krankheitsgebiet nicht weiter ausbilden wollen. Ihr Anerbieten, über den 25. d. M. hieher zu kommen, wird freudig angenommen. Ferenczi hat ähnliche Absichten. Wollen Sie ihm Ihr Datum auf einer Karte mitteilen?
Jones muß natürlich gefeiert werden, am besten in der von Ihnen vorgeschlagenen Weise. Nur daß ich nicht den Begrüßungsartikel zu schreiben habe, mache ich mir aus. Ich mag nicht mehr schreiben, fühle mich auch seit dem Schicksal der ‚Laienanalyse‘ der Öffentlichkeit ähnlich entfremdet wie vor 25 Jahren. Zur Zeit von Ferenczis Jubiläum1 war es anders, da stand ich noch mitten in den Reihen.
Über Schultz denke ich ganz wie Sie. Ich hatte nicht ihm die Konsultation bewilligt, sondern H[errn] [V.] auf Lux’s Verwendung.2 Konnte dann nicht so beleidigend sein, den die Kranke behandelnden Arzt zurückzuweisen. Bei der Unterhaltung hätten Sie als Anwesender Ihr Vergnügen gehabt. Ich habe ihm nämlich genau dasselbe gesagt, was Sie schreiben, ihm seine Streberei, Unbedenklichkeit, Unverläßlichkeit vorgehalten, in kaum höflicheren Worten, und er hat alles zugegeben und es durch einige intime Mitteilungen motiviert. So sprachen wir uns ausgezeichnet, und die Sicherheit, daß es von meiner Seite eine Fischpredigt nach Art des hl.a Franziskus3 war, daß er sich aber nie ändern wird, hat die Begegnung auf ein hohes humoristisches Niveau gehoben.
Ich leide jetzt schwerer unter meinen Katarrhen. Die Prinzessin, die jetzt geheilt ist und bald abreist, will mir zu einer antibakteriellen Therapie verhelfen. Ich habe auch ihren Mann kennen gelernt; ein alter General, über 6 Fuß hoch, sehr gnädig und höflich. Wir unterhielten uns angeregt über die Krankheit seines Vetters George in London.4
Henny hat mit besonderer Befriedigung über Mirras Aussehen und Befinden bei ihrem Besuch im neuen Haus berichtet.
Herzlich Ihr Freud
a MS: h., oder auch: H.
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