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S.
[Briefkopf Wien] 6. 3. 1930.
Lieber Max
Ihre Rede war sehr schön, sehr inhaltsreich, in ihrer Reserve und Diskretion für Sie charakteristisch. Schade, daß Sie Ihre Stimme nicht öfter laut werden lassen.
Ich war nahe daran, meiner Prothese wegen schon im März nach Berlin zu kommen, aber ein Assistent Schröders, Dr. Trebitsch, der auf Urlaub hier war, hat mir so viel vorläufige Besserung gebracht, daß ich den Termin – vielleicht um vieles – verschieben kann.
Dr. [U.] taucht zeitweise in Wien zum Besuch seiner Geliebten und seiner Tochter [auf]. Unserer Verabredung gemäß sucht er mich dann nicht auf. Er hat nicht nur als Patient viel von seiner Schätzung verloren, ich habe selbst den Verdacht, daß seine ganze Existenz auf einem Stück Hochstapeleia aufgebaut ist. Es heißt, daß es ihm gelungen ist, große Geldmittel für seine Unternehmung zu bekommen.
Zwischen Berlin und mir hat sich in den letzten Tagen etwas sehr Interessantes abgespielt, das ich vor Ihnen noch – vielleicht auf lange – geheim halten muß.1 Etwas sehr Belustigendes!
Sonst läuft das meiste hier glatt.
Herzlich Ihr
Freud
a Nach „Hoch“ zunächst fortgesetzt, dann gestrichen: spale.
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S.
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