• S.

    [Briefkopf Wien] 19. 1. 1932

    Lieber Max

    Kaum daß Sie uns verlassen haben, finde ich mich gedrängt, Ihnen zu schreiben, und zwar aus mehreren Anlässen. Erstens will ich nochmals mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, daß Sie hier diesmal nicht wie sonst den Empfang gefunden haben, der dem lieben Gast gebührt. So viele Rücksichten sind im Wirbel der dringenden Geschäfte untergegangen; Sie haben nicht ein Wort des Dankes gehört. Zweitens darf ich Sie doch jetzt, wo die Großzügigkeit für uns alle vorüber ist, bitten, auch meine Versorgung mit Rauchzeug auf rationelle Basis zu stellen, mir zu sagen, was Sie für mich ausgeben, und es sich zurückerstatten zu lassen. Ich habe Geld bei Lampls und kann es Ihnen immer in Berlin zuweisen lassen.

    Drittens in der Reichaffaire: Ihre Bedenken blieben nicht die einzigen, Jekels1 hier, Bernfeld von Berlin her haben mir ähnliche Schwierigkeiten vorgeführt und des letzteren Argument, daß wir den Sowjets nicht mit einer Kriegserklärung zuvorkommen sollen, mir Eindruck gemacht. Ich habe also beschlossen, den Aufsatz von Reich vorläufig überhaupt zurückzustellen.2 Das ist keine endgiltige Lösung; ich warte auf eine solche. Daß ich den Aufsatz ohne Abwehrreaktion erscheinen lasse, bleibt ausgeschlossen.

    Viertens, ich habe das Manuskript von Alexander3 fast gänzlich durchgelesen. Es ist klar, korrekt, verdienstvoll und sollte in Amerika sehr viel Gutes wirken. Uns hier sagt es nicht viel Neues und wird gewiß kein Schlager werden. Wenn er die Kosten trägt, haben wir keinen Grund, eine deutsche Ausgabe abzulehnen. Ich weiß nicht, wer mit ihm darüber verhandeln soll.

    Letztens, im Verlag:4 Mein armer Junge geht mit sorgenschweren Mienen herum, nimmt sich aber seiner Aufgabe tüchtig an. Storfer soll am ersten Tag nach seinem Sturz von tadelloser Gefügigkeit gewesen sein. Für wie lange? Martin hat ihm in wohl berechneter Höflichkeit das Chefzimmer überlassen.5 $ 2500 als Vorschuß auf das Wilson-Buch habe ich von meinem Mitarbeiter bereits erhalten, von Alexander kam ein Antworttelegramm mit dem Versprechen, sich zu bemühen.6 Auf wieviel Dollars schätzen Sie das? Morgen soll der notarielle Akt statthaben. Anna liegt mit einer gar nicht bequemen Grippe.

    Ich grüße Sie herzlich

    Ihr Freud