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S.
[Briefkopf Wien] 13. V. 25.a
Lieber Max!
Ich hoffe, Sie haben Mirra wohl angetroffen1 und schöne Tage bei ihr verbracht. Die Woche seit unserer Trennung hat mir endlich eine bedeutende, hoffentlich andauernde Besserung meiner Sprache gebracht. Die Arbeiten zur Herstellung der Doublette werden energisch fortgesetzt.
Im heutigen Rundbrief habe ich, Ihrem Wunsche folgend, einige Äußerungen über den Verlag gemacht, obwohl ich nichts sehr Wichtiges zu sagen hatte.2 Sie, als Inspektor desselben, werden die Lage besser übersehen und sich mit mehr Autorität darüber äußern können.
Rank war vorigen Freitag bei mir. Sie haben recht gesehen, sein Zustand hat den depressiven Charakter verloren. In seiner realen Situation sind aber neue Komplikationen eingetreten, die ihn jetzt in Anspruch nehmen, deren Ausgang nicht abzusehen ist.3 Ich halte nur das eine für sicher, daß er im Herbst wieder nach Amerika gehen wird, wenn es ihm gelingt, sich aus seinen Zuständen herauszuarbeiten. Auf aktive Mitarbeiterschaft dürfen wir bei ihm längere Zeit nicht rechnen. Nachdem ich die Sachlage erfahren habe, muß ich ihm recht geben, daß eine Analyse bei ihm derzeit nicht angebracht wäre. Vielleicht kommt sie später an die Reihe, wenn nach der Erledigung der realen Situation neurotische Reste bleiben.
Über eine dreistündige Unterhaltung mit Hermann Keyserling,4 die gestern stattgefunden hat, berichte ich im Rundbrief.
Mit herzlichem Gruß
Ihr Freud
a Masch.
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S.
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