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    [Briefkopf Wien] 22. 3. 24

    Lieber Max

    Endlich Nachricht von Ihnen!1 Ich kann mich nicht wie sonst auf Ihr Herkommen freuen, denn ich sehe voraus, daß es Ihnen Enttäuschungen bringen wird. Auch Sie gehören ja zu denen, die nichts davon wissen wollen, daß ich nicht mehr derselbe bin. Ich bin aber in Wirklichkeit müde und ruhbedürftig, schlage kaum die sechs Stunden Analyse heraus, halte alles weitere von mir fern. Das Richtige wäre, Arbeit und Verpflichtungen aufzugeben und in einem stillen Winkel auf das natürliche Ende zu warten. Aber die Versuchung, nein die Nötigung, noch etwas zu erwerben, solange man soviel verbraucht, ist zu stark.

    Besonders seit meiner letzten Naseneiterung, die gewiß Äußerung einer Grippe war, bin ich so zusammengeknickt. Ich bin auch beständig durch irgend etwas gequält, d. h. immer durch mehreres, wo etwas Neues darunter ist. Es stellt sich so einfach vor, ein Stück Kiefer durch eine Prothese ersetzen, und alles ist in Ordnung. Aber die Prothese selbst ist nie ganz in Ordnung, die Versuche zu ihrer Verbesserung auch noch nicht abgeschlossen. Meine rechte untere Gesichtshälfte (Nase und Ohrläppchen besonders) ist schwer hypästhetisch, das rechte Ohr ist durch Verzerrung und Verschluß der Tuba außer Funktion, ich höre auf dieser Seite nichts als ein beständiges Rauschen und bin sehr gestört, wenn in einer kleinen Gesellschaft mehrere Personen anzuhören sind. Meine Sprache ist verständlich geworden, reicht fürs Gewöhnliche aus, soll auch noch weiter gebessert werden. Kauen und Schlucken kann ich natürlich, aber mein Essen verträgt keine Zuschauer. Ich schreibe Ihnen das alles, erstens damit Sie es wissen, und zweitens um Ihnen zu ersparen, hier nach meinem Befinden zu fragen.

    Häusliche Aufnahme biete ich Ihnen diesmal nicht an, denn ich bedarf viel Pflege von seiten meiner Frau und kann wie ein eifersüchtiges Kind ihre Sorgfalt mit anderen nicht teilen.

    Es ist mir sehr lieb, daß Sie reichlich Zeit haben werden, sich mit Rank und vielleicht noch mit Ferenczi zu besprechen. Ich kann den beiden nur recht geben, wenn sie das Komitee für erledigt und begraben erklären.2 Es ist auch gerade nichts, um mich heiter und hoffnungsvoll zu stimmen. Abraham hat gewiß sehr unfreundschaftlich gehandelt3 und ist hoffentlich auch sachlich im Unrecht, obwohl meine theoretische Opposition gegen R. und F. auch im Wachsen ist.

    Schön, daß Sie soweit erholt zurückkommen. Von Mirra schreiben Sie nichts, aber man darf es doch auch glauben.

    Ich grüße Sie beide herzlich

    Ihr Freud