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S.
[Briefkopf Wien] 16. XI. 1930.
Lieber Max
Ich habe erst gestern die Festschrift unseres Berliner Instituts1 zu Gesicht bekommen und sie mit stolzer Befriedigung gelesen. Ich wiederhole, daß nicht [ich] allein, daß alle, die an unserer Arbeit mittun, sich klar darüber sind, was wir Ihrer Energie, Ihrem Opfermut und Ihrer Leistungsfähigkeit verdanken. Ein stiller, aber starker Vorsatz, an Ihr Verdienst nicht so bald zu vergessen, sollte bei diesem Anlaß in uns allen erwachen.
Ich denke mit Bedauern daran, daß – wie ich gehört habe – Ihre persönlichen Beziehungen zu den Mitgliedern Ihrer eigenen Gruppe gegenwärtig durch gewisse Nichtigkeiten getrübt werden.2 Aber das kann doch nicht anhalten. Etwas Selbstbesinnung und Selbstbeherrschung auf beiden Seiten muß diesen Störungen ein Ende machen.
Ich kann von mir berichten, daß ich nun über die Folgen des letzten Krankheitszustandes hinweg bin. Meine Existenz ist durch die lokalen Beschwerden noch immer recht belastet, aber wahrscheinlich darf ich darin nicht viel verlangen. Ich arbeite vier Stunden und konsumiere zwei Zigarren täglich.
Storfers Vorschläge erscheinen mir wie eine Antwort auf Ihre Anfrage: „Was würden Sie tun, wenn die Situation des Verlags durch ein (nahe bevorstehendes) Wunder saniert wird?[“] Er darauf: die Gehälter erhöhen.
Mit herzlichem Gruß
Ihr Freud
P.S. Ich glaube, ich habe meine Handschrift wiederbekommen.
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S.
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