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S.
[Briefkopf Wien] 26. 5. 26.
Lieber Max
Ende dieser Woche werde ich – recht und schlecht – mit den Dankschreiben zu Ende gekommen sein und darf dann wieder frei aufatmen. Es tröpfelt noch immer nach: einzelne verspätete Briefe, Telegramme, clippings und taktlose Artikel in Wiener Zeitungen, die aus meinem Fall Kapital gegen die Universität, die Regierung etc. schlagen wollen. Bald ist auch das vorüber, und ich darf den Eindruck resümieren, daß es eine schöne, durch keinen Mißton gestörte Feier war, die aber die feindliche Einstellung der Umwelt gegen die Analyse in unverringerter Stärke enthüllt hat.
Ich habe noch $ 300 von Miss Grace Potter1 im Namen der nichtärztlichen New Yorker Gruppe2 erhalten, die ich vorläufig aufbewahre. Ferner habe ich von Dr. Lévy Lajos3 als sicher erfahren, daß binnen kurzem 100 Mill. ung. Kronen = 10.000 Schillinge = $ 1420 von Tonis Bruder Emil v. Freund-Tószeghi als letztes Vermächtnis unseres Freundes eintreffen werden. Das wird also $ 1450 = Mka 5800 ergeben,4 über deren Verwendung ich mir Ihren Rat erbitte. Vielleicht können Sie damit wieder etwas Ausgiebiges beim Verlag anstellen. Anderseits erhebt sich wieder derb Anspruch des ganz hilflosen Wiener Instituts.
William Stern hat mir in heuchlerischer Coulance die Fahnen eines in Wien gearbeiteten Aufsatzes (Schule Frau Prof. Bühler) eingeschickt, in dem das Hugsche ‚Tagebuch‘ nach den objektiven Anzeichen von Kalenderunstimmigkeiten und Anachronismen als ein wertloses „Machwerk“, wahrscheinlich der Herausgeberin, entlarvt wird.5 Ich habe keinen Zweifel an seiner Echtheit, und nach einer Stunde Nachdenkens fand ich die schlagende Widerlegung dieser Anwürfe: Da ich den wirklichen Namen Ritas6 kenne, wird es ein Leichtes sein, durch gewisse Erkundigungen die Echtheit dokumentarisch zu erweisen. Ich habe Storfer mit der Abfassung der Gegenschrift beauftragt, die im Verlag erscheinen soll.7 Die Frommen werden sich hoffentlich ärgern.
Von Rank ist in aller Heimlichkeit ein Buch ‚Die Technik der Analyse‘ erschienen, zunächst ein erster Band von dreien.8 Er hat es offenbar darauf angelegt, das Tischtuch zwischen uns und ihm zu zerschneiden. Aber dies Buch scheint endlich aufrichtig. Ich soll es bald erhalten.
Ich grüße Sie herzlich. Ist Mirra schon zurück?
Ihr Freud
a Gestrichen: 9000.
b MS: des.
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S.
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