• S.

    [Briefkopf Wien] 27. 3. 1932

    Lieber Max

    Ich unterbreche mich in der Abfassung des Rundbriefs, um Ihren Brief zu beantworten. Mein voriger Brief muß Ihnen durch Ton und Inhalt gezeigt haben, daß Sie mein Vertrauen besitzen wie vorhin (vor was eigentlich?). Wenn ich mir unter diesen Verhältnissen herausnehme, Ihnen einen leisen Vorwurf zu machen, so liegt grade in dieser unveränderten Beziehung meine Rechtfertigung. Soll es mir gleichgiltig sein, wenn ich von 1-2-3 Seiten höre, daß Sie der Horney alles erzählen, womit sie sich dann rühmt, daß sie es von Ihnen erfahren hat? Schon daß man derlei sagen kann, berührt mich peinlich, und Ihre Verschwiegenheit gegen mich – ich weiß, Sie können sehr tief schweigen – hat diesmal wie schon einige Male vorher zwischen uns meinen Vorstoß zur Folge gehabt.

    Wenig Gutes ist über mich zu sagen. Über die Schmerzen bin ich weg, die anderen Beschwerden halten an, und meine Erwartungen lassen sich von einer nächsten Operation kaum ablösen. Ob ich meinen Vorsatz mit den Ergänzungsvorlesungen ausführen kann und was ich dabei zustande bringe – nun, lassen wir es dahingestellt sein. Ich fühle keine Zuversicht. Ich merke, daß Sie gedrückt sind, und wollte gern, ich könnte Sie aufheitern.

    Herzlich Ihr

    Freud