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S.
[Briefkopf Wien] 7. Okt. 24
Lieber Max
Ich schreibe Ihnen über die Rank-Affaire, um Sie bis zu Ihrer Herkunft auf dem laufenden zu erhalten, obwohl seit dem letzten von Ihnen zurückgeschickten Brief nichts Entscheidendes vorgefallen ist. Ich habe gehört, daß er gestern in Meran angekommen ist; nach seiner eigenen Angabe will er Ende Oktober in Wien sein, nach anderen erst Mitte November. Eine Antwort auf meinen ausführlichen, Ihnen bekannten Brief habe ich nicht erhalten.
In den letzten Tagen habe ich Federn und die Deutsch1 gesprochen, beiden schien die Situation keineswegs unbekannt zu sein, aber sie äußerten sich beide so reserviert, als wüßten sie mehr, womit sie mich verschonen wollten. Einen ähnlichen Eindruck von Zurückhaltung und nicht vollkommener Aufrichtigkeit empfing ich aus dem Gespräch mit Ferenczi und aus seinen Briefen seither. Ich meine, er hatte sich sehr weit mit ihm2 eingelassen und will noch nicht sagen, wie weit, obwohl er in allem Wesentlichen von ihm abgerückt ist.
Federn verdanke ich einen guten Rat, den ich auszuführen gedenke. Er sagte, es sei niemand da, der den Vorsitz übernehmen könnte, auch gegen Rank spräche mancherlei, und darum solle ich erklären, ich nähme eine Wiederwahl an und bitte, mich noch krankheitshalber für einige Zeit beurlaubt zu lassen. Diese Auskunft nehme ich an. Die Vereinssitzungen sollen begonnen werden, ehe R. zurückkommt, mit den Wahlen will Federn auf ihn warten, natürlich nicht, wenn er sich noch länger verzögert.
Jones schrieb, er habe von vier oder fünf Seiten aus Amerika über R.s Auftreten gehört, durchaus Unfreundliches. Das Bedauerlichste seien seine geringschätzigen Äußerungen (disparaging remarks) über meine Person und meine Leistungen. Man muß da wohl der allgemeinen Unverläßlichkeit der Menschen Rechnung tragen, besonders wenn sie wittern, daß es etwas anzustiften gibt. Aber nach seinen Briefen haben wir wohl kein Recht, etwas anderes als einen schroffen Bruch von ihm zu erwarten. Ich habe auch Ferenczi geschrieben, er solle jeden Versuch einer Umstimmung unterlassen, bloß feststellen, was seine Absichten sind. Ihr Herkommen soll auch nicht der Versöhnung, sondern der notwendigen Neuordnung dienen.
Was die Redaktion betrifft, so denke ich an Radó3 oder Radó neben Abraham. Was meinen Sie dazu? Sachs ist bereit, die ‚Imago‘ zu übernehmen.4
Anna speit Feuer, wenn der Name Rank genannt wird. Ich bleibe kühl, aber ich gebe zu, es ist ein ungewöhnlich garstiger Vorfall.
Mein Befinden ist gut. Ich hoffe dasselbe und Besseres von Ihnen und Mirra.
Herzlich Ihr Freud
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S.
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