-
S.
[Briefkopf Wien] 18. 7. 20.a
Lieber Max
Ich habe Ihnen, wie gewünscht, sofort telegraphiert, daß ich mich für Ihren Vorschlag entscheide. Rank kann die Verteilung an die Wiener vornehmen, von Budapest sind wir völlig abgeschnitten, ich werde heute durch einen privaten Kurier eine Anfrage an Ferenczi gelangen lassen. Man hört von dort die greulichsten Dinge und darf um sein Schicksal besorgt sein.1 Wenn jemand wie er ungeschädigt durchkommt, ist es ein glücklicher Zufall.
Ihre Berechnung, die für Berlin „drei Anteile“ herausbringt, habe ich nicht verstanden. Nach Ihren Voraussetzungen entfällt auf Berlin ein Sechstelb des Betrags.
Von Ihren familiären Sorgen und Aufgaben habe ich durch die Kinder gehört und auch gewußt, welche außerordentliche Steigerung der Arbeit Ihnen die letzten Monate gebracht haben. Die Sympathie wurde mir leicht, denn ich schmachte selbst nach Erholung. Ich habe mich in meinen Erwartungen für die letzten Wochen geirrt, nicht einer ist vorzeitig abgefallen, es ist bei neunstündiger Arbeit in drückender Hitze geblieben, und – die zehnte [Stunde] widme ich jetzt täglich Königsberger, auf den ich zuerst böse sein wollte. Aber es geht nicht, er ist ein zu lieber Kerl und sehr geschickt. Der Kopf, den er mitgebracht, war erstaunlich richtig, und was er seither dazu tut, gefällt allen sehr. So opfere ich mich denn für die Nachwelt.
Das ‚Jenseits‘ ist endlich fertig geworden. Sie werden bestätigen können, daß es halbfertig war, als Sophie lebte und blühte.2 Wir denken, es wird als Beiheft Nr. 2 der ‚Zeitschrift‘ erscheinen, d. h. selbständig, aber im Rahmen der ‚Zeitschrift‘ und für deren Abonnenten leicht erhältlich. Für den Umfang unserer Nummern ist es zu groß geworden. Es wird vielerlei „Schütteln des Kopfes“3 hervorrufen. Der nächste Versuch gilt der Massenpsychologie. Ob er aber zu etwas führen wird, läßt sich nicht vorhersehen.
Anna ist gestern nach Aussee4 abgefahren. Ich reise (mit Schwägerin) am 30/7 nach Bad Gastein, Villa Wassing. Meine Frau schließt sich Hollitschers an, die nach Goisern (bei Ischl) gehen. Daß Sie uns5 in Hamburg treffen wollen, um mit uns nach dem Haag zu reisen, ist eine ausgezeichnete Idee. Abgemacht, wenn es Ihnen so zusammengeht.
Empfehlen Sie mich den Damen in Franzensbad; ich hätte Ihnen gerne dorthin geschrieben anstatt nach Berlin, aber Ihr Brief hat es nicht sicher gemacht, daß Sie dort zu treffen sind.6
Herzlichen Gruß bis zu Ihren weiteren Nachrichten vor dem Wiedersehen!
Ihr Freud
a Erstmals Briefumschlag mit gedruckter Absenderadresse: Wien IX., Berggasse 19. Benutzt bis Oktober 1922.
b MS: 1/6.
-
S.
Berggasse 19
Wien 1090
Austria
Güntzelstraße 2
Berlin 10717
Germany
C22F8