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S.
[Briefkopf Wien] Berchtesgaden 3. 7. 29.
Lieber Max
Jones wollte sehr zärtlich sein, im Hintergrunde war immer etwas Unerquickliches. Argumenten war er wenig zugänglich, seine eigenen betonten oft das Nebensächliche, vermieden das Prinzipielle. Das Beste, was er sagte, war, Amerika würde die Psychoanalyse nie von Laien annehmen, und wenn die New Yorker austreten, sei das Land für die Analyse verloren. Ich meinte, wir würden dann leicht eine andere Gruppe bekommen, die unseren Standpunkt teilt. Die Diskussion war unbefriedigend, weil man spürte, daß es Schattenkampf war. Die wirklichen Motive hielten sich verborgen. Das Ende war, daß ich ihm erklärte, wenn etwas auf dem Kongreß passierte, machte ich ihn dafüra verantwortlich. Eine bloße Geste natürlich, denn außer meiner allerhöchsten Ungnade kann ich ihm nichts antun. Vielleicht hat es ihm Eindruck gemacht. Ob es aber bis zum Kongreß anhält?
Ich bemerke ausdrücklich, daß wir sehr freundschaftlich voneinander geschieden sind.1
Es wird Sie interessieren, daß ich – notgedrungen, was soll ich sonst mit dem Tag anfangen – etwas schreibe.2 Ich weiß aber nicht, ob es zu etwas führen wird. Nur im Fall eines wirklich wichtigen Ergebnisses soll es gedruckt werden, sonst bleibt es Schreibübung.
Hier ist es sehr schön, wenn Sie so beweglich sind, könnten Sie auch eines Tages im Garten auftauchen.
Ich grüße Sie und Mirra herzlich
Ihr Freud
Eben kabelt Brill, daß er am 11. d. M. in Berchtesgaden sein wird.b
a Nachträglich am Zeilenanfang eingefügt.
b Dieser Nachsatz auf Rückseite des Briefumschlags.
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