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S.
[Briefkopf Wien] Semmering
8. 8. 27
Lieber Max
Anbei der Brief von Springer retour. Es ist nicht so schlecht, daß wir nun zur Selbständigkeit verurteilt sind.
Von der Sweetserspende habe ich, wie Sie wissen, nur die erste der fünf Raten. Vom ganzen (S. 35.000) habe ich dem Verlag allerdings 15.000 zugedacht.
Dieser Tage schicke ich an Radó das Manuskript des ‚Fetischismus‘. Wittels hat mich gut bedient. Ich habe Ihnen natürlich schon mitgeteilt, was der Fetisch ist? Der Ersatz des in der Kindheit geglaubten und hochgeschätzten Penis des Weibes, also eine Art falscher Demetrius.1 Er ist Trutz gegen die Kastration und Schutz vor der Homosexualität.a
Auch das Buch von Burrow wird an Radó abgehen.
Ein spastisches Darmleiden, das mich die letzten Wochen gequält hat, will mich jetzt wider Erwarten verlassen. In menschlicher Kurzsichtigkeit froh über den neuerlichen Aufschub der endlichen Liquidation, habe ich sogar einen Aufsatz (‚Über den Humor‘) begonnen, wie ihn Storfer für den neuen ‚Almanach‘ verlangt.2 Ich fürchte, er wird langweilig sein, aber es ist ein altes Interesse von mir, ein seinerzeit beim ‚Witz‘ ungelöst gebliebenes Problem.3
Über Ferenczis Brief schrieb ich Ihnen bereits, ich teilte Ihren unbefriedigenden Eindruck nicht. Wir korrespondieren jetzt lebhafter.
Das Wetter hier ist anhaltend herrlich schön. In Wien soll es arg heiß sein. Und in Berlin?
Ich grüße Sie und Mirra herzlichst
Freud
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S.
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