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S.
[Briefkopf Wien] 20. XI. 1932
Lieber Max
Auch nur einige Zeilen, ich habe wenig zu berichten.
Mit der Otitis bin ich zwar durch, aber abscheuliche Katarrhe halten an und erniedrigen das Existenzniveau um ein weiteres Stück. Die ‚Vorlesungen‘ sind imprimiert, sollen in 14 Tagen erscheinen. Ich habe Ihnen keinen Rohdruck geschickt, weil ich es für unappetitlich halte, in einem solchen zu lesen. Aber die Jeanne Lampl hat auf dringendes Verlangen einen bekommen und soll ihn Ihnen anbieten, wenn Sie die kurze Weile nicht warten wollen. Am 1. Dez. etwa erwarte ich auch meinen Mitarbeiter nach den Wahlen in U.S.A. und werde von ihm hören, wann das Wilson-Buch in die Öffentlichkeit geschickt werden kann.1 Die Diskussion mit Einstein soll auch bald im neuen Jahr erscheinen.
Die Praxis ist armselig, allerlei Sorgen recht groß, aber so recht dazugehörig fühle ich mich doch nicht. Reich ist gewiß „a nuisance“; hier beginnt Federn diese Rolle zu spielen.2 Anstelle von Alfred Rie3 ist Jekels einberufen worden. Ernst und Lux baden im Meer und lungern halbnackt auf Felsen herum, freilich auf einer Baleareninsel. Unlängst habe ich gelesen, daß der etwas meschuggene Metschnikow4 sich auch für den Todestrieb eingesetzt hat. Ein französischer Schweizer hat den Geier Leonardos auch im Londoner Karton der ‚Annaa Selbdritt‘ entdeckt.5
Herzlich Ihr
Freud
a Korrigiert aus: Maria.
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S.
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