[Briefkopf Wien] 28. 1. 26

Lieber Max

Dieser Brief soll Sie in Taormina begrüßen, wohin Sie re bene gesta¹ wieder eingetroffen sind, um sich am nahen Frühling und an Mirras Besserung zu freuen.

Hier steht alles gut. Martha ist in Baden,² wo sie sich subjektiv sehr wohl befindet und geduldig, bis jetzt erfolglos, auf die Heilung ihres Herpes wartet. Ich erfreue mich einer recht gebesserten Sprache und suche nach schützenden Positionen gegen die Gefahren des Mais.³

Den Radóschen Vorschlag, das Abrahamheft auf Dezember zu verschieben, fand ich unsympathisch und konnte ihn nicht verstehen, bis mir Storfer eröffnete, daß ich selbst das Hindernis sei, nämlich die Absicht, mir das nächste Heft zum 6. Mai zu widmen.⁴ Ich kann mich dem nicht widersetzen, wenn es nur eine Sammlung von Arbeiten sein soll und die Begrüßung etc. auf ein taktvolles Mindestmaß beschränkt wird. Ich habe nun Storfer mitgeteilt und werde es Radó schreiben, sobald meine Sekretärin einen freien Abend hat, daß ich folgende Lösung wünsche: Das Abrahamheft so bald als möglich nach dem ersten Heft und vor dem dritten (6. Mai), das⁵ nur die Trauerberichte enthalten und nicht auf bestellte Schülerarbeiten warten soll. Storfer schätzt es auf drei Bogen. Der Überschuß kann auf die beiden nächsten Hefte aufgeteilt werden. Trauerpflichten müssen erfüllt werden, ehe man Feste feiert, vertragen keinen Aufschub. Provozierte und auf ein enges Gebiet beschränkte Arbeiten sind no good, nur eine Störung des wissenschaftlichen Betriebs. Ich bitte Sie, diese Lösung auch Ihrerseits anzunehmen.

Sachs ist – incognito – hier, ich werde ihn morgen abends sehen.

Über Jones’ Komitee-Vorschlag müssen wir noch verhandeln. Es ist eine Verlegenheit, etwas muß geändert werden, aber nach welcher Richtung?

Ranks Frau hat aus Anlaß einer Grippe mit Otitis eine kleine, halb toxische psychische Störung entwickelt, die sehr schön abläuft. Es scheint nichts Bedenkliches, Folge der lange unterdrückten Spannungen. Er war sehr erschreckt.⁶

Ich grüße Sie beide herzlichst

Ihr Freud