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S.
[Briefkopf Wien] 24. 4. 21
Lieber Max
Der letzte Brief an Ihre alte Adresse. Möge Ihnen die neue viel Freude an Menschen und Dingen bedeuten!
Wir sehen Ihrer baldigen Ankunft entgegen. Haben Sie schon daran gedacht, wo Sie wohnen werden? Sollen wir etwas darin veranlassen?
Wir werden allerlei besprechen können und einmal auch einen geschäftlichen Abend mit Rank veranstalten. Ich setze voraus, daß Sie alle Mahlzeiten bei uns nehmen, und hätte Sie gerne als Gast im Hause gehabt, aber die Hausfrau findet, daß wir Ihnen nicht die einem Gast schuldige Behaglichkeit bieten können und daß es unrecht wäre, Ihre bekannte Genügsamkeit auszubeuten.
Schmideberg hat endlich die Prüfung in Chemie gemacht,1 sogar mit Auszeichnung bestanden. Anna sagt, daß [es] ein Erfolg von mir ist, da ich ihn deutlich habe merken lassen, wie ernst ich seine wiederholten Absagen nehme. Jetzt ist die Phobie wohl gebrochen.
Olis Brief sende ich zurück und lege einen anderen, rezenten von ihm bei. Wenn Glück eine Konstante in der Lebensgleichung eines Menschen ist, hat er nicht viel davon in seiner.
Von einem Herrn Kallin in London2 habe ich zwei herrliche Kleiderstoffe als Geschenk eines „Anhängers und Bewunderers“ erhalten. Hängt der Mann nicht vielmehr an Ihnen? Ich habe von Anna etwas Undeutliches der Art gehört.
Anna geht es übrigens ausgezeichnet, sie ist heiter, fleißig und angeregt. Ich möchte sie ebensogern im Haus behalten als im eigenen wissen. Wenn es ihr nur auch gleich ist!
Der kleine Anton gedeiht noch nicht recht, er hat allerdings noch viel Zeit vor sich. Hoffentlich sind Ihre beiden Familienzuwächse schon über die Schwierigkeiten der ersten Lebenserfahrungen hinaus.
Die ‚Massenpsychologie‘ ist im Druck, bleibt wohl für längere Zeit das jüngste Kind.
Grüßen Sie mir Mirra herzlich, Ihnen sage ich nur: Auf baldiges Wiedersehen!
Ihr Freud
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S.
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