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[Briefkopf Wien] 12. 5. 1931a
Lieber Max
Bestätige Ihren lieben, „gehaltvollen“ Brief. Erschrecken Sie nicht über die Einlage von zwei Schecks, den dritten hat Storfer schon geholt. (Ruth hat übrigens noch $ 1500 bekommen.) Es tut mir leid, mich einem Wunsch von Ihnen zu widersetzen; Sie hätten es verdient, daß ich etwas tue bloß darum, weil Sieb dafür sind. Aber diesmal muß ich zu entschieden dagegen sein. Wir haben aus einer Sammlung Geld bekommen, über 50.000 M. Davon sind wir genötigt, 20[.000] M. ohne Aufschub zur Bezahlung dringender Schulden zu verwenden. Mit dem Rest wollen Sie einen Teil der Schuld des Verlags an mich als Autor abtragen. Zwei Folgen: Die erste, daß die Situation des Verlags nachher dieselbe sein wird, wie sie vorher war. Im nächsten Jahr sind die Mittel aufzubringen, um Storfer abzufinden, der Verlag wird kein Geld für seinen Betrieb haben, wird neue Schulden machen, deren Zinsen ihn genauso würgen werden wie die früheren. Zweite Folge: Andere werden sagen können – aber auch wir werden uns sagen –: der Erfolg dieser unverhofften, nicht zu wiederholenden Sammlung war, daß das Geld, das für psychoanalytische Institutionen bestimmt war, auf einem kurzen Umweg in meine Tasche geflossen ist. Das wollen wir doch offenbar vermeiden.
Darum schicke ich Ihnen die beiden Schecks zurück und bitte Sie, die Beträge zugunsten des Verlags zu verwalten und zur Herstellung haltbarer Verhältnisse in ihm zu verwenden. Damit wäre der psychoanalytische Fond zu Ihren Händen wiederhergestellt.
Die nächste und dringendste Aufgabe ist jetzt, Ihren Besuch in Wien sicherzustellen. Vom 23/5 an sind Sie frei, das ist grade Pfingsten, für Ihre geschäftlichen Absichten nicht günstig. Auch wird Martin auf Urlaub sein, der dringend bittet, daß Sie ihn in Betracht ziehen. Er hat ernsthaftes Interesse für den Verlag, glaubt, daß er etwas für ihn leisten kann, und ich kann, ohne ein Urteil über diesen Plan zu äußern, nur sagen, daß er in allem, was er beginnt, tüchtig und zuverlässig ist. Er meint, er sei auch durch seine Erfahrungen im ‚Allgemeinen Tarifanzeiger‘ meines Bruders1 auf das Geschäftliche des Verlags vorbereitet. Eine Woche später – Monatswende – wollen wir die Übersiedlung nach Pötzleinsdorf durchführen, die Zeit ist also ganz unbrauchbar. Kommen Sie also erst nachher, im Juni wann Sie wollen, so hat es vielleicht den Gewinn, daß Sie mich wieder halbwegs in Ordnung finden, was ich von der Gegenwart noch nicht behaupten kann.
Mit herzlichen Grüßen für Sie und Mirra
Ihr Freud
a Einschreiben.
b Im MS folgt: sie.
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