S.
[Briefkopf Wien] 13. XI. 1934
Lieber Max
Was für Unsicherheit hat Sie beschlichen in Sachen der Manuskripte? Sie zeigt sich übrigens in einem bei Ihnen recht ungewöhnlichena Verschreiben: „Das Unglück in der Natur“ anstatt „Kultur“. Wir haben natürlich an Entwendung gedacht, und ich hatte eine Erinnerung, Ihnen ein- oder mehrmals auf Ihren Wunsch Manuskripte gegeben zu haben. Wahrscheinlich hat die Entwendung im Verlag stattgefunden. Ich teile den quasi‑fetischistischen Respekt vor Manuskripten nicht, bin unachtsam mit ihnen und bewahre sie nur auf, weil man mich mit der Möglichkeit unterhalten hat, sie könnten einmal Taschengeld für meine Enkel einbringen.
Meinem ‚Moses‘ ist wirklich nicht zu helfen. Bedenklicher noch als die äußere Gefahrb ist die Unzufriedenheit mit der historischen Schwäche des ersten Teils. Ich bin doch nicht gut für historische Romane. Es bleibt für Thomas Mann.1
Gestern waren es elf Jahre seit meiner Operation.
Mit herzlichen Grüßen für Sie und Mirra
Ihr Freud
a Korrigiert aus: -chem.
b Die beiden letzten Worte durch Korrekturzeichen umgestellt.
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