• S.

    [Briefkopf Wien] 1. 6. 1931

    Lieber Max

    Wien XVIII. Khevenhüllergasse 6.1

    Es ist nicht bequem, sich in die Hinterlassenschaft eines Kenners und Sammlers von alten Möbeln und österreichischer Folklore hineinzusetzen, aber es ist gegangen, und manche Stücke der neuen Einpassung werden Ihnen sicherlich gefallen. Jedenfalls, wenn ich meine Türe öffne, bin ich in einem weitläufigen, parkartigen Garten, der zur Sicherheit unserer morgen erwarteten Wolf und Jofi durch einen Zaun geteilt ist. Akazien duften noch, Linden fangen eben an, Amseln und Lerchen gehen oder fliegen spazieren, kein Lautsprecher oder Autogehupea stört die Ruhe. Man könnte hier sehr wohl sein.

    Ich bin es natürlich nicht. Meine Kräfte sind noch nicht beisammen, die Wunde noch nicht ganz geheilt, die Prothese noch nicht definitiv aufgebaut. Ich gebe wieder fünf Stunden.

    Ihre Frage nach den Zigarren entlockt mir das Geständnis, daß ich wieder rauche. Mit Rücksicht auf mein Alter und das Maß von Unbehaglichkeiten, das ich täglich zu ertragen habe, erschien mir die Abstinenz und die etwa an sie geknüpfte Chance nicht gerechtfertigt. Der Berchtesgadener hat leider die Untugend, sich nicht streng an den Auftrag zu halten. Für die kleine Don Pedro hat er Ihnen etwas minder Gutes geschickt.

    Wir werden sehen, wie es weiter geht. Bis Sie kommen,

    herzliche Grüße für Sie und Mirra

    Ihr Freud

     

    a MS: Autogehuppe.