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S.
[Briefkopf Wien] 4. 5. 1932
Lieber Max
Ihr Ausbleiben an meinem diesjährigen Geburtstag – unerwünscht genug in seiner Begründung – wird mir wenigstens den Anlaß geben, den Tag so zu begehen, wie ich es immer wollte, also als gemeinen Wochentag. Morgens Besuch in Kagran mit den Hunden, nachmittags der gewohnte Besuch bei Pichler, vier Stunden analytische Arbeit und harmloses Kartenspiel am Abend. Zweifel, ob man sich freuen soll, das Datum erlebt zu haben, und dann Resignation.
Mit der Zeitschriftenfrage bin ich soweit: Ich habe Dr. Kris’ Bereitwilligkeit, die ‚Imago‘ zu übernehmen, nachdem er sich der Hilfe Dr. Wälders versichert hat, und warte nun seine Mitteilung ab. In betreff der ‚Zeitschrift‘ bin ich noch unsicher, was zu tun. Federn allein scheint mir zu gewagt. Ich lasse wiederum durch Kris bei Dr. Hartmann1 anfragen, ob er neben Federn arbeiten will. In diesem Fall würde ich die Verlegung nach Wien durchführen und mit der Rücksicht auf Ersparungen begründen. Ich schreibe Ihnen, sobald ich Sicheres weiß.
Gewiß wäre es das beste, wenn Brill eine Organisation in Amerika gelänge. Aber ich meine, wir sollen die Aufnahme neuer Gruppen nicht von dieser Bedingung abhängig machen. Was wir zurückweisen, geht uns wahrscheinlich verloren; was wir annehmen, können wir auch beeinflussen. Vielleicht sollten wir überhaupt nicht so streng vorgehen und vor allem nicht den Anschein erwecken, als ob wir von neuen Mitgliedern eine Vereinigung von Vollkommenheiten forderten, die auch bei den alten nicht regelmäßig zu finden ist. Bei den Italienern ist, wie ich mir denken kann, das Hindernis, daß sie wahrscheinlich nicht alle analysiert sind.
In diesem Zusammenhang will ich auch erwähnen, daß mir ein Dr. Heinz Fuchs2 aus Landauers Kreis geschrieben hat, der sich die Aufnahme sehr intensiv wünscht.3 Er wurde in Wien analysiert und solla hier ein sehr günstiges Urteil über sein Verständnis, Gesinnung und Charakter hinterlassen haben, im Wesen noch gehemmt sein. Ich hoffe, daß man ihm seinen Leumund hier anrechnen wird, wenn er sich in Berlin anmeldet.
Ich bin überrascht, daß Sie nicht wissen, daß und wen sich die Bostoner für nächsten Herbst eingeladen haben, auch daß er bereits angenommen hat. Vielleicht soll es noch geheim bleiben; darum nenne ich keinen Namen.
Mit herzlichen Wünschen für rascheste Fortschritte der Besserung
Ihr Freud
a MS: hat.
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S.
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