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    [Briefkopf Wien] 30. 5. 271

    Lieber Max

    Ich meine, Jones’ Benehmen ist nicht so rätselhaft. Er sucht seit langem „Händel“, kämpft mit der Versuchung, sich von Europa unabhängig zu machen und sich ein eigenes anglo‑amerikanisches Reich zu schaffen – die er doch aus Anständigkeit nicht vor meinem Abgang befriedigen kann –, und glaubt, in dem partiellen Widerspruch zwischen Anna und der Klein eine gute Anknüpfung gefunden zu haben. Dazu kommta vielleicht noch, daß er gegen Anna einen alten Groll hegt, von 1914 her, als sie ihn refüsierte.2

    Ich kann zu den Schwierigkeiten für den Verlag, mit denen Sie sich plagen, eine neue hinzufügen. Das Wiener Ambulatorium ist in Nöten, ist gekündigt worden, kann keine neue Unterkunft finden und hat kein Geld, sich eine Wohnung zu kaufen. Wenn ich die $ 5000 bekomme,3 werde ich sie ganz oder mindestens halb ans Ambulatorium abführen müssen. Es wäre zu traurig, wenn wir beide Wiener Institutionen, Verlag und Ambulatorium, zugrunde gehen lassen müßten. Am liebsten doch beide erhalten.

    Über das Schicksal der „Illusionen“ ist leicht zu berichten. Ich habe keine Zeile mehr daran geschrieben. Aber – Müßiggang ist aller Laster Anfang – auf dem Semmering wird sich die Fortsetzung finden. Das momentan treibende Motiv ist der beständige Ärger über die mystischen Neigungen des Schweden,4 dem trotz allb seiner schönen Eigenschaften der analytische Knopf noch immer nicht aufgegangen ist.

    Meine Prothese ist ein neckisches Ding. Sie hat unzweifelhafte Vorteile gegen die früheren, man könnte mit ihr zur Not existieren. Aber immer ist noch eine Stelle an ihr, die empfindlich stört, immer hoffe ich, daß P[ichler] auch dieser Herr werden wird. Bisher ist es noch nicht geglückt, und ich kann mein Interesse noch nicht von diesem garstigen Posten abziehen.

    Damit hättec ich alle Ihre Fragen beantwortet. Selbst hätte ich keine anderen als nach Mirras Gesundheit und Ihrer Arbeitslust angesichts so verworrener und unerfreulicher Verhältnisse. Ich grüße Sie herzlich

    Ihr Freud

     

    a Ein unleserlicher Buchstabe am Anfang dieses Wortes überschrieben.

    b Korrigiert aus: alle.

    c Schriftbild: hatte.