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S.
[Briefkopf Wien] 31. XII. 1928
Lieber Max
Dieser Brief soll Ihnen einen frühen herzlichen Neujahrsgruß bringen, gleichzeitig aber mein Mißfallen ausdrücken, daß Sie sich mit Kranksein und Herzerscheinungen in ein Gebiet eindrängen, das meiner Person und meinen Jahren vorbehalten bleibt.
Ich lege Ihnen die Kopie des Briefes von Jones an Ruth bei. Sie werden erkennen, daß mein Verdacht sich nicht auf seine Kongreßpläne bezog, sondern auf seine Art, sich zum Vertrauten aufzuwerfen, um feste Anhänglichkeiten zu unterminieren.
Radó habe ich natürlich auch mit der absoluten Verweigerung seiner Demission geantwortet1 und habe wie Sie grade an die Brutalität seiner Reaktion gegen Storfer gewisse Hoffnungen geknüpft, außerdem ihn um Geduld und Toleranz ersucht. Ich meine, es würde nicht schwer sein, für den hohen Gehalt, den wir St. zahlen, einen tüchtigen Fachmann zu gewinnen, dem z. B. Wälder2 als analytischer Beirat zur Seite bleiben kann.3 Aber gern unternehme ich auch gegen St. nichts. Schließlich hat er die Gesamtausgabe gemacht, macht jetzt das Register und bedeutet bei all seinen Tollheiten ein wertvolles Instrument. Er hat sich bisher bei mir nicht gemeldet. Ihr nächster Besuch in Wien wird mit dieser Affaire zu tun haben.
Ich habe heute nacht heroische Nießanfälle gehabt, stehe unter Aspirin und habe auch angesichts der hier zu erwartenden Grippeepidemie meinen Brief an Sie beschleunigt. Das abgelaufene Jahr war nicht uninteressant und nicht unerfreulich. Die Prothe[se] ist brav, ihre Leistung nicht ungestört. Oli und Henny waren über Weihnachten bei uns. Die Prinzessin ist in voller Rekonvaleszenz nach ihrer Infektion mit Bact[erium] coli. [U.] hat mir aus Assuan einen alten Gott angekündigt. Meine ganze Religiosität hat sich bekanntlich auf bronzene Götter verschoben.
Für 1929 wünsche ich Ihnen und Mirra vor allem ungestörten Genuß Ihres schönen neuen Hauses.
Eilig und herzlich
Ihr Freud
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S.
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